Vom Portier bis zum Primar

 

Vom Portier bis zum Primar – jeder fehlt!

Von REINHARD WALDHÖR, Vorsitzender der Gesundheitsgewerkschaft

 

Es ist dringend geboten, die Ausbildungen im Gesundheitsbereich attraktiver zu machen
und in bessere Arbeitsbedingungen zu investieren.

 

„75.000 Vollzeitkräfte fehlen in den Pflegeberufen bis 2030!“ und „Ärztemangel in den Kliniken!“ – diese Meldungen kennt inzwischen beinahe jede und jeder und entsprechende Reformpakete werden, wenn auch zu spät und zu wenig umfangreich, aber doch diskutiert und geschnürt.

Was jedoch völlig außerhalb der Wahrnehmung liegt, ist die Tatsache, dass das System Gesundheit und Pflege ein Zusammenspiel von mehr als einhundert Berufsgruppen ist – und in allen Gruppen gibt es derzeit massive Probleme mit dem „Nachwuchs“. Pflegekräfte und Medizinerinnen stellen im Gefüge einer Klinik (je nach Fachausrichtung) rund 50 Prozent der Belegschaft. Die zweite Hälfte der Belegschaft besteht aus weiteren Gesundheitsberufen, die dafür sorgen, dass die Patientinnen und Patienten richtig und schnell diagnostiziert, operiert und/ oder therapiert werden.

Bereiche wie Ergo- oder Physiotherapie, Logopädie, Diätologie, Geburtshilfe, Radiologie, Labor, Pathologie und einige mehr funktionieren nicht ohne sie. Und ohne diese Bereiche würde keine Klinik auch nur eine Stunde arbeiten können.

Dasselbe gilt auch für die Medizintechnik, Haustechnik, Administration, das Facility Management und die Speisenversorgung. Die oft unbeachteten Kräfte hinter den Kulissen sorgen dafür, dass das „tägliche Leben“ in unseren Gesundheitseinrichtungen funktioniert. Die menschlichen Grundbedürfnisse von Patientinnen und Patienten sowie der MitarbeiterInnen könnten ohne sie nicht gestillt werden. Und auch hier sieht man sich großem Konkurrenzkampf am Arbeitsmarkt ausgesetzt: Wenn z.B. über mangelnde Fachkräfte wie Köchinnen und Köche in der Gastronomie berichtet wird, trifft das natürlich auch auf die Welt der Gesundheit und Pflege zu.

Ein Beispiel aus der Praxis: Auf der Abteilung für innere Medizin haben sich am Morgen zwei Mitarbeiterinnen aus dem Pflegebereich krankgemeldet, und es kann aufgrund der Personalknappheit kein Ersatz gefunden werden, weil die einzig infrage kommenden Kolleginnen dann für die folgende Nacht nicht zur Verfügung stehen. Also sind die Patientinnen und Patienten mit weniger Personal zu versorgen. Auf der inneren Medizin ist es so, dass sehr viele Patienten hochbetagte Menschen sind und der pflegerische Aufwand groß. Am Ende führt diese Personalsituation zu einer Überlastungsmeldung an den Dienstgeber (zum Schutz der anwesenden Kolleginnen), da nicht garantiert werden konnte, dass für die Patientinnen und Patienten alle erforderlichen Maßnahmen nach Standard durchgeführt wurden, etwa bei der Flüssigkeitszufuhr (Trinken allein nicht möglich, Flüssigkeit intravenös nicht indiziert und nicht genügend Ressourcen für die Hilfestellung beim Trinken). Patientinnen und Patienten müssen sich selbst überlassen werden, die adäquate Nachschau, Lagerungen und vieles mehr ist nicht mehr möglich. Von der Umsetzung entsprechender Pflegestandards ist nicht zu reden. Im Klartext heißt das, es gibt derzeit Situationen (und das sind keine Einzelfälle), wo die Kolleginnen und Kollegen einfach die Basics nicht mehr schaffen können, weil die Patientenzahl hoch und die Personalzahl niedrig ist.

Auch das frustriert die Kolleginnen und Kollegen sehr, zu wissen, dass sie nicht so arbeiten können, wie sie es gelernt haben und es für die Patientinnen und Patienten am besten wäre! Auch das führt zur Flucht aus dem Beruf!

Es ist dringend geboten die Ausbildungen durch Stipendien und Zuschüsse attraktiver zu machen (analog den Pflegeberufen) und in die Arbeitsbedingungen zu investieren. Es braucht auch Verbesserung in der Bezahlung dieser Berufsgruppen, die öffentlichen Betriebe sind hier zu wenig flexibel. Fachkräfte verdienen derzeit „am freien Markt“ teilweise um 50 Prozent mehr als im öffentlichen Sektor.

 

„Es gibt derzeit Situationen, in denen die Kolleginnen und Kollegen die Basics nicht mehr schaffen können, einfach weil die Patientenzahl hoch und die Personalzahl niedrig ist.“

REINHARD WALDHÖR, Vorsitzender der Gesundheitsgewerkschaft